Sushi oder die Kunst loszulassen
Gestern war ich ganz alleine aus! Ich hatte mal wieder Lust auf meinen Lieblings-Japaner. Wie immer saß ich an der Sushi-Bar, wo ständig so ein Band rund läuft an dem man sich nach Herzenslust bedienen kann. Immer wieder wird es mit neuen Sushi-Köstlichkeiten -- die hinter der Bar frisch zubereitet werden -- bestückt.
Zuerst sah ich mir die Leute im Restaurant an, die um mich herum saßen. Das gehört immer mal wieder zu meinen Lieblingsbeschäftigungen -- Menschen gucken. Ich denke mir dann gerne die ein oder andere Geschichten über sie aus. Versuche über ihre Gestik, Mimik oder ihre Körpersprache zu erkennen, wie sie gerade drauf sind und was sie so beruflich machen ... Aber gestern brachte mich das Sushi-Fließband auf ganz andere Gedanken:
Warum ist für viele Menschen Loslassen so schwierig? Genau betrachtet müssen wir ja täglich loslassen: Den Tag, wenn wir abends zu Bett gehen. Den spannenden Roman, den wir gerade ausgelesen haben. Die gute Freundin, die weit weg zieht. Unseren Lieblings-Bäcker, der aus Altergründen oder was auch immer, schließen muss… und so fort.
Okay, das klappt ja meist noch ganz gut. Aber warum halten wir an anderen Dingen fest wie die Kletten, obwohl wir genau wissen, dass wir sie nicht festhalten können?
Weil Festhalten viel, viel einfacher ist als loslassen. Genau darum!
Menschen loslassen, die uns nicht gut tun!
Aber manchmal müssen wir uns auch von etwas trennen, was uns nicht gut tut. Das können schlechte Gewohnheiten wie Süchte sein oder Umstände, die uns schaden. Manchmal sind es auch Menschen, die uns schlecht behandeln und uns einfach nicht gut tun. Und das ist überhaupt das schwierigste im Leben. Menschen, loslassen!
Besonders Frauen - und manchmal auch Männer -- beschweren ihr Leben gerne mit unerfüllbaren Forderungen an andere und hadern mit Menschen und Umständen. Warum werde ausgerechnet ich immer wieder verlassen, krank oder habe wenig Geld? Warum sehne ich mich gerade nach dem Menschen, der mir das Herz gebrochen hat?
Loslassen braucht Mut – statt Wut
Gegenwärtig und alltäglich kann man das Festhalten auch in der Politik – und das weltweit - an gewohnten Privilegien beobachten.
Doch unangemessenes Festhalten birgt immer die Gefahr, dass die Gegenseite zähneknirschend nachgibt – aber insgeheim schon Auswege aus dieser einseitigen Abhängigkeit sucht. Verzicht – obwohl einem eventuell von Rechts wegen etwas zusteht – ist ein Zeichen von Reife. Also etwas ab oder niederlegen zu können ohne das als Niederlage zu erleben -- ganz nach dem Leitspruch "Der Klügere gibt nach".
Manchmal muss und soll man kämpfen. Sich wehren gegen Entwicklungen, Umstände oder Menschen. Aber immer gibt es einen Punkt, wo man merkt, dass das Kämpfen nichts ändert. Dass man nicht gewinnen kann. Dann wird aus dem möglichen Kompromiss, den man nicht will, ein endloser Kampf bei dem alle verlieren: Rosenkriege zwischen geschiedenen Eheleuten um das Liebe Geld, das Haus oder gar die Kinder sind ein trauriges Beispiel dafür. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist ein anderes und an Traurigkeit kaum zu überbietendes Kapitel. Aber das ist wieder ein anderes Thema…
Als ich vor einigen Jahren einmal beruflich in einem Frauenhaus war, erfuhr ich (und war erschüttert darüber), dass die meisten Frauen wieder zu ihren prügelnden Männern zurückkehren. Bis mir dann eine Frau im Interview verriet: „Ich denke, ich verdiene nichts Besseres im Leben als diesen Mann.“
Genau das war es, warum sie nicht loslassen konnte. Der mangelnde Respekt. Nicht nur des Mannes gegenüber ihr. Auch der fehlende Respekt von ihr für sich selbst!
Loslassen macht die Hände frei
Auch wenn die meisten von uns weniger schlimme Erfahrungen gemacht haben, sondern eher Traummänner oder –frauen - „Wunschträume“ eben - festhalten wollen… beim Festhalten glauben wir, dass nichts Besseres nachkommt. Dass wir diesen schönen Moment, diese beglückende Erfahrung, diese wertvolle Zeit festhalten 'müssen'. Weil sie unwiederbringlich ist…
Dabei macht Loslassen nicht nur die Hände frei – sondern auch den Kopf! Und das Loslassen fällt uns leichter, wenn wir darauf vertrauen, dass bestimmt etwas oder jemand kommt, der zumindest wieder ein Fenster in unserem Herzen öffnet.
Und was hat das alles mit Sushi zu tun?
Eine ganze Menge! Wir sollten nicht unbedingt nur das eine, kleine Häppchen auf unserem Teller wollen. Es kommt noch viel mehr Leckeres vorbei… Vielleicht nicht dasselbe und auch nicht immer etwas Besseres – aber etwas Neues. Und dann heißt es zugreifen. Genau wie beim Fließband an der Sushi-Bar!!
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