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Geliebte wollte ich niemals sein


Das Wort hat einen erotischen Klang - aber auch Geheimnis und Verrat hört man darin - die Geliebte! Hauchzarte Seidenstrümpfe die lasziv über makellose Beine gezogen werden, verführerische Spitzenunterwäsche die wahllos auf dem Boden einer diskreten Hotelsuite verstreut liegt. Das Bett zerwühlt, die altmodischen, roten Samtvorhänge sind zugezogen – obwohl

es heller Nachmittag ist. Solche oder ähnliche Szenen kommen einem in den Sinn bei der Geliebten, diesem wundervollen Wesen, das keinerlei Tabus kennt und der wahrgewordene Traum einer jeden Männerfantasie ist.

Ein solcher „Traum“ – oder besser gesagt ein Alptraum – sitzt gerade auf meiner Couch und heult sich die Augen aus. Kurz: Meine Kollegin und auch gute Freundin Toni ist zu einem Häufchen Elend mutiert. Ihr verheirateter Kerl hat nämlich mit einer läppischen Whats-App-Nachricht die Liaison für beendet erklärt.

„Jetzt weiß ich auch, warum wir fast nie telefoniert haben..“ schluchzt sie in mein Sofakissen. „So geht doch auch das Schlussmachen viel einfacher – schnell mal was tippen und schon ist man mich los…“.

Toni (die eigentlich Antonia heißt) ist nicht die erste und auch nicht die letzte Frau, die einfach so reingetreten ist in die Geliebtenfalle wie in Hundescheiße…

Sie hat fünf lange Jahre gewartet und gehofft… Auf was, das ist ihr selbst nicht mehr klar: „Und weißt du was das Schlimme ist? Er hat mich, seine Frau und am meisten sich selbst verarscht“, resümiert sie während sie kräftig ins Taschentuch schnäuzt.

Sie lernte "Mister Aussichtslos" in einem Seminarhotel kennen. Er ist städtischer Beamter und war dort auf einer Fortbildung. Toni ist wie ich Journalistin und war auf einem Seminar für Presserecht. In den Pausen trafen sich die beiden immer am Kaffeeautomat. Und dann abends in der Hotelbar… Toni sagt, sie habe sich sofort in ihn verliebt. In seine wachen, braunen Augen, seine gewinnende Art, seinen Charme, seinen Duft. Dass er verheiratet ist, zwei erwachsene Kinder hat, erfuhr Toni erst nachdem sie ihr Herz verloren hatte. Da war es zu spät.

Was folgte war nur in den ersten Wochen ein prickelndes, verbotenes Fest. Ein Rausch der Gefühle, eine Perlenkette aus glücksgeladenen Sternstunden der Sinnlichkeit.

Und natürlich betete auch er ihr das Credo aller Fremdgeher vor: „Seit Jahren läuft zwischen meiner Frau und mir nix mehr – jeder macht sein Ding.“ Aber scheinbar teilte „Mister Ring am Finger“ mit seiner Gattin nicht nur Tisch und sicherlich auch das Bett, sondern auch sein Email-Postfach. In der naiven Vorstellung, dass seine Gattin die Mails von einem gewissen Toni nicht liest. Eine besonders verräterische Mail las die Ahnungslose im Eigenheim aber dann doch.

Er:„Was hast du im Bett an?“

Toni: „Nur einen Hauch von Chanel Nr. 5.“

Obwohl die Konversation ziemlich eindeutig und die Ehefrau darüber sicherlich „not amused“ war, konnte er seinen Kopf nochmal gerade so aus der Schlinge ziehen und faselte etwas von „nur geflirtet“ und „nix passiert“. Danach wurde der Mailverkehr zwar eingestellt, aber der andere Verkehr (Sie wissen schon…) nicht!

„Mister Ring am Finger“ schrieb Toni weiterhin sehnsuchtsvolle Whats-App-Nachrichten, verbrachte fortan aber jede Nacht und jeden Abend im Eigenheim. Nur hin und wieder besuchte er in seiner alten Heimatstadt (Da wo auch Toni in einer kleinen, schicke Wohnung lebt) die "Verwandtschaft".

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Saving All My Love for You

“A few stolen moments, is all that we shared –

You've got your family, and they need you there ­ ­-

Though I try to resist, being last on your list –

But no other man's gonna do –

So I'm saving all my love for you…”

dieser traurige Song von Whitney Houston ist übrigens Tonis Lieblingslied und sollte zur Hymne aller Schattenfrauen ernannt werden!

Böse Zungen behaupten ja, dass diese Frauen sonst keinen abbekommen und sich deshalb wahllos verheirateten Männern an den Hals werfen. Aber das Gegenteil ist der Fall! Und dennoch: Die Geliebte wird verheimlicht wie eine peinliche Krankheit. Wenn sie dann wirklich krank ist, bleibt sie allein. Auch das hat Toni schmerzlich erlebt!

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, meint Toni, die sich inzwischen wieder einigermaßen gefangen hat. Der traurigste Satz aller Geliebten erinnert mich ein bisschen an die Geschichte mit Silke. Das ist zwar schon Jahre her aber endete wirklich fast in einem tödlichen Drama.

Silke verliebte sich im Urlaub zuerst in das Tauchen und dann – wieder zuhause angekommen – in Peter. Er war Zahnarzt mit deutlichem Übergewicht. Sie lernte ihn im Tauchverein kennen. In seinem viel zu engen Neoprenanzug sah er ein bisschen aus wie ein gestrandeter Orca. Aber gerade das und natürlich sein unschlagbarer Humor fand die zierliche Silke damals „unheimlich süß“. Peter hatte eine gut gehende Praxis, zwei schulpflichtige Kinder, eine bescheidene Villa im Grünen und eine durchgestylte Ehefrau die sich ihres Gatten nur allzu sicher wähnte.

Wegen seines Adipositas-Problems wurden Peters Mahlzeiten – und der eheliche Geschlechtsverkehr gleich mit – strengstens rationiert. Peter war also in fast allen Lebensbereichen, die wirklich Spaß machen, auf Diät. So ausgehungert traf er dann Silke… Bei ihr fühlte er sich wieder als Mann, angenommen und geliebt. Allerdings war Silkes „Kuschelbärchen“ (wie sie ihn immer nannte) alles andere als vorsichtig. Nein, er wollte sogar, dass seine Frau hinter die Affaire kam… So einer war das. Kam sie dann wohl auch! Und Peter zog zuhause aus und bei Silke ein.

Ich weiß zwar nicht, ob Zahnarztgattinnen grundsätzlich zur Gewalt neigen, aber Silke musste fortan um Leib und Leben bangen.

"Frau Doktor" mutierte nämlich zur Furie und ließ sich keinesfalls die „Butter vom Brot“ nehmen. Fortan verfolgte sie Silke und lauerte den beiden auch auf, wenn sie als Paar unterwegs waren. Da gab es beispielsweise mehrere peinliche Szenen im Restaurant und Schlimmeres: Silke wurde von ihr auf der Autobahn ausgebremst. Eine äußerst gefährliche Attacke. Peter ließ sich allerdings nicht beirren und genoss das neue Leben mit Silke. Bis eines Tages...

Silke kam von der Arbeit nach Hause und Peters Sachen und seine Koffer waren weg. Lediglich ein kleines, gelbes Post-it fand Silke auf dem ungemachten Bett in dem die beiden sich am Morgen noch leidenschaftlich geliebt hatten:

ICH KANN NICHT ANDERS. HASSE MICH NICHT!

Nur einer von 10 Männern entscheidet sich letztendlich für die Geliebte, so die realistische Statistik. Für viele Männer steht einfach zu viel auf dem Spiel: Eine Ehe, ein Haus, eine gemeinsame Familie. Andere wiederum lieben ihre Frau vielleicht noch und suchen „nur“ nach ein wenig sexueller Abwechslung. Und sicherlich gibt es auch unzählige Männer, die einfach zu feige sind ihre Beziehung zu beenden obwohl es sicherlich die beste Entscheidung für alle Beteiligten wäre!

Auch Peter ging wieder zurück zu seiner Ehefrau. Für Silke war das damals der emotionale Supergau. Nach mehreren durchheulten Nächten, endlosen Gesprächen mit uns Freundinnen überredete ich sie einige Wochen später zu einer Waldwanderung. Es war ein wundervoller, sonniger Tag und ich dachte, Silke hätte die Geschichte einigermaßen hinter sich gebracht. Hatte sie aber nicht! Sie blieb plötzlich stehen und meinte, ohne Peter könne und wolle sie nicht mehr leben. Dass ihr das in diesem Moment bitter ernst war, konnte ich in ihren Augen lesen…

Sie lebt zwar heute noch aber hat sich von dieser Sache nie mehr ganz erholt. Nach einer weiteren, gescheiterten Beziehung lebt sie jetzt mit ihren zwei Dackeln zusammen und gönnt sich gerne das ein oder andere Glas Rotwein zu viel am Abend.

Silkes Geschichte hat mich damals so sehr berührt, dass ich mir schwor, niemals die „andere Frau“ zu sein.

Bis … Ja, bis mich meine Vergangenheit gnadenlos einholte. Und zwar in Gestalt meines Jugendschwarms, in den ich mit 15 oder 16 schrecklich verknallt war!

Über 40 Jahre lang hatten wir uns nicht mehr gesehen… Seitdem hat er – im wahrsten Sinne des Wortes – reichlich Haare gelassen, geheiratet, Haus gebaut, Baum gepflanzt, Sohn gezeugt …

Aber das Leben macht was es will und manchmal treffen wir auch die törischsten Entscheidungen – gerade in Sachen Liebe. Immer noch und in jedem Alter. Und wenn die besondere Wucht des ersten Liebeskummers darin besteht, dass man noch nicht wissen kann ob man ihn überlebt, kehrt diese Angst im Alter mit ganz realistischem Hintergrund wieder zurück: Es könnte das letzte Mal sein!

Ein Mann der vergeben ist, kann dich so lieben, dass dir schwindelig wird. Es gefällt dir, dass dir so schnell schwindelig wird. Du gewöhnst dich an ihn, wie man sich auch an gute Stoffe gewöhnt und später die schlechten sofort erkennt, gleich an der Art, wie sie auf der Haut liegen. Dann geht er weg, dieser Mann, mit seinem Alles und lässt dich mit deinem Nichts zurück.

Nachtrag :

Heute beim Mittagessen in der Kantine:

Ein junger Kollege hat mir von seinem letzten Dating-Erlebnis erzählt. Er traf sich zum ersten Mal mit dieser Frau, die erwähnte, sie sei auch mit einem verheirateten Mann zusammen. Mein Kollege erklärte ihr rundheraus, dass es keine zweite Verabredung gäbe, denn wenn sie sich selbst nicht genug liebe, um eine richtige Partnerschaft zu führen, warum sollte er es dann tun?

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